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Kategorie: Pressemitteilung, Tourismus, Kultur & Sport, 06.07.2021,

Schicksal des Warendorfer „Euthanasie“-Opfers August Tertilt aufgeklärt


August Tertilt arbeitete als Landwirtschaftsgehilfe und Holzschuhmacher.

Am 30. Juni 2021 verlegte die Stolperstein-Initiative Warendorf und die VHS-Forscherwerkstatt „Die vergessenen Opfer in Warendorf“ einen Stolperstein für August Tertilt vor seinem Elternhaus hier in Warendorf, in dem er 1908 geboren wurde. Die Patenschaft über den Stolperstein hat das Mariengymnasium Warendorf übernommen.

August Tertilt wurde 1941 in der Landesheilanstalt Hadamar in Hessen ermordet - er war da gerade einmal 33 Jahre alt. Seine Ermordung erfolgte auf staatliche Veranlassung und in medizinischer Obhut. Sein Schicksal, das erste Schicksal eines Warendorfer „Euthanasie“-Opfers, hat nun die Forscherwerkstatt der Volkshochschule Warendorf aufgeklärt. Die Leitungs des Projekts mit dem Titel „Die vergessenen Opfer in Warendorf. Der Mord an psychisch Kranken und geistig Behinderten im Nationalsozialismus“ lag bei Historiker Matthias M. Ester (Geschichts-Kontor Münster).

An der Pilotstudie der VHS-Forscherwerkstatt nahm auch Sebastian Lange, Schüler des Mariengymnasiums Warendorf, teil. Unter Anleitung durchforstete er Archive und recherchierte in „Euthanasie“-Gedenkstätten. Seine ersten Arbeitsergebnisse fasste er in einer Facharbeit für den Projektkurs „Erinnern gegen das Vergessen“ zusammen.

So konnten bislang ca. 15 Personen aus Warendorf, Freckenhorst und Hoetmar namentlich festgestellt werden, die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“ geworden sein könnten. Auch ihre Schicksale sollen nun von den Teilnehmern der Forscherwerkstatt, die nach den Sommerferien fortgesetzt wird, so weit wie möglich aufgeklärt werden, „damit den vergessenen Opfern des Nationalsozialismus Gerechtigkeit zumindest in der Erinnerungskultur widerfährt“, so Ester.

Im Zuge der Recherchen wurde auch die Familie von August Tertilt ausfindig gemacht. Ein Neffe berichtete das Wenige, was seine Familie über das Schicksal ihres Angehörigen wusste. Er zeigte sich sehr erfreut, dass nun die wenigen Informationen und vielen Mutmaßungen durch die Ergebnisse der Recherchen stark erweitert werden konnten.

 

Sebastian Lange,  Matthias M. Ester, Bürgermeister Peter Horstmann (hintere Reihe, v.l.) und Josef Tertilt, Neffe von August Tertilt (vorne) bei der Stolpersteinverlegung.

 

Die Geschichte von August Tertilt

Seit seiner Jugend hier in Warendorf litt er unter epileptischen Anfällen. Eine gewisse Zeit konnte August Tertilt jedoch als Landwirtschaftsgehilfe und Holzschuhmacher arbeiten. Doch dann verschlimmerte sich die Krankheit. Er wurde Anfang Juli 1937 in die Provinzialanstalt Marsberg eingewiesen. Sein Krankheitszustand änderte sich nicht, so dass er in das nationalsozialistische „Euthanasie“-Aktion T4 geriet. Zwischen Januar 1940 und August 1941 ermordeten die Nationalsozialisten über 200.000 Menschen, die aufgrund psychischer Krankheit und geistiger Behinderung als „lebensunwert“ und als „Ballastexistenz“ angesehen wurden. Ende Juni 1941 wurde August Tertilt zwangsweise erst in die Anstalt Weilmünster und dann in die Tötungsanstalt Hadamar „verlegt“, wo er Ende Juli 1941 direkt nach der Ankunft vergast wurde.